Welt-Zöliakie-Tag 2024: Medikament macht Hoffnung

    Hoffnung bei Zöliakie:Medikament gegen Glutenunverträglichkeit

    von Gunnar Fischer
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    Wissenschaftler haben das erste wirksame Medikament für die Behandlung von Zöliakie entwickelt. Es hemmt die Entzündung im Dünndarm und soll schwere Folgeschäden verhindern.

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    Wer an Zöliakie leidet, muss lebenslang glutenhaltige Lebensmittel meiden. Nur so lässt sich die Erkrankung einigermaßen unter Kontrolle halten. Allerdings ist eine strikte glutenfreie Diät für Betroffene in der Realität kaum einzuhalten, weiß Detlef Schuppan, Leiter der Zöliakie-Ambulanz an der Universitätsmedizin Mainz, denn Gluten sei ein verbreiteter Zusatzstoff.

    Schon Spuren von Gluten lösen Beschwerden aus

    Bei der Zöliakie handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung des Dünndarms, die etwa ein Prozent der Bevölkerung betrifft. Die Autoimmunerkrankung wird durch den Verzehr von Gluten ausgelöst. Das Kleber-Eiweiß ist in verschiedenen Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste enthalten. Ein Drittel aller Zöliakie-Patienten reagiert so empfindlich darauf, dass schon winzige Mengen Symptome wie Bauchschmerzen und Durchfall hervorrufen.

    Betroffene leben dauernd mit der Furcht, dass sie kleine Mengen an Gluten zu sich nehmen, die ihrem Dünndarm große Schäden zufügen können.

    Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Leiter Zöliakie-Ambulanz, Universitätsmedizin Mainz

    Das Hauptproblem sei nicht etwa, keine Pizza oder keine Nudeln essen zu können. Problematisch für Betroffene seien die Verunreinigungen, die in vielen Lebensmitteln stecken, erklärt der Experte.

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    Medikament verhindert Entzündung im Dünndarm

    Hoffnung macht derzeit ein Wirkstoff zur Behandlung der Glutenunverträglichkeit. Das von Schuppan mitentwickelte Medikament basiert auf der Entdeckung von Transglutaminase. Es handelt sich um ein körpereigenes Enzym, das auch im ganzen Darm vorkommt. Betroffene bilden Antikörper dagegen.

    Das Medikament ist ein Hemmstoff des Enzyms Transglutaminase. Es verhindert, dass das Gluten immunologisch im Darm aktiv werden kann.

    Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Institut für Translationale Immunologie, Universitätsmedizin Mainz

    Mit dem Enzymhemmer wird die Transglutaminase in ihrer Aktivität ausgebremst. Das beugt einer glutenbedingten Entzündungsreaktion im Dünndarm vor. Das Problem: Hält die Entzündung länger an, werden die Ausstülpungen der Dünndarmschleimhaut, die sogenannten Zotten, zerstört. Dies wiederum kann zu Nährstoffmangel sowie zu weiteren schwerwiegenden Komplikationen führen.

    Es drohen Komplikationen wie Knochenschwund, Blutarmut, Osteoporose bis hin zu Tumoren im Dünndarm.

    Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Leiter Zöliakie-Ambulanz, Universitätsmedizin Mainz

    Dass das Medikament eine stark schützende Wirkung auf die Dünndarmschleimhaut hat, konnte bereits in ersten Studien nachgewiesen werden.

    Studienlage und bisherige Ergebnisse



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    Zulassung in zwei Jahren erwartet

    Der Experte rechnet damit, dass das Medikament in zwei Jahren auf den Markt kommen könnte. Es ist vor allem für besonders stark betroffene Patienten, bei denen es trotz strenger glutenfreier Diät zu Entzündungen kommt, als Dauermedikation gedacht. Aber auch alle anderen Betroffenen sollen von dem Wirkstoff profitieren. Sie können das Medikament als Tablette bei Bedarf prophylaktisch einnehmen, um auch außerhalb der eigenen Küche zu essen, ohne Spuren von Gluten fürchten zu müssen.

    Wir haben gute Hinweise, dass etwa ein Fünftel eines normalen Glutenkonsums neutralisiert werden kann.

    Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Leiter Zöliakie-Ambulanz, Universitätsmedizin Mainz

    Bei einer normalen Ernährung seien das 15 Gramm Gluten pro Tag. Drei Gramm könnten durch das Medikament toleriert werden, erklärt der Experte.

    Medikament soll glutenfreie Ernährung unterstützen

    Schuppan betont jedoch, dass das Ziel der Medikamentenentwicklung nicht darin bestünde, dass sich Betroffene mit dem Transglutaminase-Hemmer komplett glutenhaltig ernähren könnten. Vielmehr solle das Medikament unterstützend zu einer glutenfreien Ernährung mehr Sicherheit und damit ein Gewinn an Lebensqualität bieten.

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