Beethovens neunte Sinfonie: Vom Sauflied zum Kulturerbe

    Uraufführung am 7. Mai 1824:Beethovens Neunte: Vom Sauflied zum Kulturerbe

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    Vor 200 Jahren wurde Beethovens neunte Sinfonie uraufgeführt - und vom Publikum bejubelt. Dennoch war damals nicht abzusehen, welch musikalische Karriere das Werk erleben sollte.

    Beethovens Neunte Sinfonie
    Beethovens neunte Sinfonie ist weltbekannt. Die erste Sinfonie mit einem Chor wurde zur Europahymne umgearbeitet, doch sie hat in 200 Jahren noch viel mehr durchgemacht.05.05.2024 | 3:06 min
    Ludwig van Beethovens neunte Sinfonie begeisterte gleich bei der Uraufführung am 7. Mai 1824. Die Darbietung wurde "von den enthusiastischen Ausrufungen des Publikums mehrmals unterbrochen", schrieb ein Kritiker nach dem Konzert in Wien, bei dem der taube Star-Komponist anwesend war.
    Dass diese Sinfonie 200 Jahre später als europäische Hymne mit bewegter politischer Vergangenheit und als eines der klassischsten Klassik-Werke bekannt sein sollte, war damals nicht abzusehen.

    Seiner Zeit voraus

    Denn in die Begeisterung über die erste Sinfonie der Musikgeschichte, in der ein Chor zum Einsatz kam, mischte sich bei manchen Kritikern die Frage, ob der letzte Satz der Sinfonie mit der Vertonung von Friedrich Schillers Gedicht "An die Freude" nicht doch etwas zu unkonventionell geraten sei.

    Beethoven ist als Avantgardist wahrgenommen worden.

    Dirigent Martin Haselböck

    "Das war das Modernste vom Modernen", sagte der Dirigent Martin Haselböck über das Werk des Komponisten, der 1770 in Bonn geboren wurde und 1827 in seiner Wahlheimat Wien starb.
    Noten und Computerdateien auf Bildschirm
    Hören Sie hier, wie Künstliche Intelligenz (KI) Beethovens 10. vollendet. Die ersten 13 Sekunden sind vom Meister selbst, danach klingt KI-Musik. 08.12.2019 | 1:30 min

    Am Anfang stand ein "Sauflied"

    Für seine neunte Sinfonie griff Beethoven auf ein Gedicht zurück, das damals sehr bekannt war und zuvor von anderen vertont worden war. Schiller hatte "An die Freude" 1785 geschrieben, wenige Jahre vor der Französischen Revolution. "Bettler werden Fürstenbrüder" heißt es etwa in dem Originaltext, der mit den Worten "Freude, schöner Götterfunken" beginnt.
    Das Lied war schon vor der Adelung durch Beethoven ein Gassenhauer, wie die Beethoven-Forscherin Beate Kraus vom Beethoven-Haus Bonn der dpa sagte. Dafür sei nicht nur der revolutionäre Text verantwortlich. Die Hymne auf Freude und Freundschaft sei auch in Studentenkreisen beliebt gewesen.

    Das ist einfach ein Sauflied.

    Beethoven-Forscherin Beate Kraus

    Unter dem Titel "Ode an die Freude" wurden Schillers Verse zum inhaltlichen Kern der Neunten. Seit der Uraufführung hätten der Genie-Kult um Beethoven und die Vielschichtigkeit dieser Sinfonie dazu geführt, dass sie mit unterschiedlichsten Inhalten aufgeladen wurde, meinte Kraus. "Deshalb kann jeder sich herauspicken, was er oder sie favorisiert."

    Zum 200. Jahrestag der Uraufführung von Beethovens Neunter bietet das Bonner Beethoven-Haus ein umfangreiches Programm. Die Sinfonie Nummer 9 Opus 125 in c-moll von Ludwig van Beethoven (1770-1827) wurde am 7. Mai 1824 im Wiener Theater am Kärntnertor uraufgeführt, das jedoch heute nicht mehr existiert. Daher finden die beiden Festkonzerte am 7. und 8. Mai mit einer genauen Rekonstruktion des Uraufführungsprogramms in der Historischen Stadthalle Wuppertal statt, die dem Originalschauplatz von Akustik und Atmosphäre her sehr nahe komme, wie es hieß.

    Das Projekt entstand in Kooperation mit dem musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Wien und dem Orchester Wiener Akademie unter Leitung von Martin Haselböck. Der WDR als Medienpartner zeichnet die Konzerte für Fernsehen und Hörfunk auf und streamt sie live im Internet.

    Quellen: KNA, dpa

    Hitlers Geburtstagsmusik und deutsch-deutsche Hymne

    Beethovens Musik wurde in der NS-Zeit instrumentalisiert. Die neunte Sinfonie erklang etwa zum Geburtstag von Adolf Hitler. In der DDR wurde das Werk des Komponisten im kommunistischen Sinne als Musik des Friedens und der Völker-Freundschaft gedeutet. "Nur im Frieden können wir unser nationales Kulturerbe pflegen", hieß es etwa auf einem Plakat für eine Aufführung der Neunten in der sächsischen Stadt Aue im Jahr 1952.
    Die "Ode an die Freude" begleitete die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands. In den 50er und 60er Jahren diente sie bei Olympischen Spielen als deutsche Hymne für die gesamtdeutschen Teams aus west- und ostdeutschen Athletinnen und Athleten.

    Die Staatsbibliothek zu Berlin präsentiert die Originalpartitur von Beethovens Symphonie Nr. 9 in Berlin
    Quelle: Reuters

    Beethovens handschriftliche Noten der Neunten werden großteils in der Staatsbibliothek Berlin aufbewahrt. Unterschiedliche Lagerorte einzelner Teile während des Zweiten Weltkriegs hatten eine west-östliche Odyssee nach dem Krieg zur Folge. Erst die Wiedervereinigung brachte Beethovens Noten wieder zusammen.

    Quelle: dpa

    Nach dem Mauerfall führte Stardirigent Leonard Bernstein die Neunte mit dem umgedichteten Text "Freiheit, schöner Götterfunken" im Dezember 1989 in Ost- und Westberlin auf.
    Anfang der 70er Jahre dampfte Herbert von Karajan den komplexen vierten Satz mit seinen Dissonanzen, dramatischen Wendungen und verflochtenen Gesangsstimmen zu einer massentauglichen Hymne für den Europarat ein. Später wurde sie auch zur Hymne der Europäischen Union.

    Aus Musik Kraft schöpfen: Patienten in Konzerten

    Man kann Beethovens Meisterwerk aber auch einfach nur genießen. Das tun viele Menschen in Japan, wo Aufführungen der Neunten mit Amateur-Chören zu den Traditionen rund um den Jahreswechsel gehören. Die größten dieser Konzerte finden in Osaka mit insgesamt 10.000 Sängerinnen und Sängern statt und werden von Yutaka Sado dirigiert.
    Unter den Teilnehmern seien Krebspatienten oder Menschen, die Angehörige pflegen und Kraft aus der Musik schöpfen wollen, erzählte Sado, der auch Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters in Niederösterreich ist. Beethovens Musik drücke aus, dass Freude nicht so einfach zu bekommen sei.

    Wir müssen einander umarmen, um Freude erreichen zu können.

    Yutaka Sado, Dirigent

    Quelle: dpa

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